Theatertext: Zimmertheater
I. Akt Akt
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I.1 Vorbühne: Rezeption und Hotelbar
I.1a Winfried und Johanna
I.1b Winfried und Karl
I.1c Winfried, Karl und Johanna
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I.2 Hauptbühne: Zimmer 7
I.2a Johanna und Winfried
I.2b Winfried
I.2c Winfried und Karl
II. Akt Akt
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II.1 Vorbühne: Rezeption
II.1a Charly und Johanna
II.1b Charly und Marion
-
II.2 Hauptbühne: Zimmer 7
II.2a Marion und Karl
-
II.3 Hauptbühne: Zimmer 5
II.3a Charly und Winfried
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II.4 Vorbühne: Hotelbar
II.4a Marion und Charly
II.4b Marion, Charly und Karl
II.4c Marion, Charly, Karl und Winfried
Klaus Trapp
Zimmertheater
Ein Lustspiel in 3 Akten
© 2004-2010 Klaus Trapp
Personen:
Johanna Voss, Inhaberin des Hotels ‚Zur Alten Post’.
Charlotte Blum, genannt Charly, Biologin bei der Landesforstbehörde, hat aus einer früheren Beziehung einen 19-jährigen Sohn.
Karl-Dieter Merz, Physiker, arbeitet im Forschungszentrum Jülich, lebt seit vielen Jahren zusammen mit Charlotte in Aachen. Sein alter Schulkamerad
Winfried Bender, freiberuflicher Rundfunkredakteur, lebt in Köln und ist seit 22 Jahren verheiratet mit
Marion Bender, Lehrerin für Englisch, Deutsch und Geschichte, Mutter einer gemeinsamen Tochter im Alter von 21 Jahren.
Ort: Ein kleines Hotel in einem Dorf in der Eifel. Die Handlung kann ggf. in ein anderes geografisches Dreieck verschoben werden, z. B. Karlsruhe-Freiburg-Schwarzwald, Hannover-Göttingen-Harz oder Nürnberg-Regensburg-Bayerischer Wald.
Zeit: Am Tag vor Silvester in einem Jahr zu Beginn des 21. Jahrhunderts. Der 1. Akt spielt gegen Mittag, der 2. am Nachmittag, der 3. am frühen Abend.
Bühnenbild: Die Hauptbühne stellt ein Hotelzimmer dar, abwechselnd Zimmer 5 und 7. Die beiden Zimmer unterscheiden sich beispielsweise durch unterschiedliche Wandbilder, Bettbezüge oder Ähnliches. In der Mitte des Hotelzimmers befindet sich ein Doppelbett mit getrennten Matratzen, rechts und links davon ein Nachttischschränkchen mit Lampen. Ferner befindet sich im Zimmer ein kleiner Sekretär, auf dem ein altmodischer Telefonapparat steht. Fernseher und Minibar fehlen! Auf der rechten Seite führt eine Türe ins Badezimmer, auf der linken befindet sich ein großes Fenster. Das Fenster ist von einem Vorhang verdeckt. Die Zimmertüren muss man sich auf der Zuschauerseite vorstellen. Auf der linken Vorbühne befindet sich die Rezeption: eine Theke mit Telefon, Glocke etc., an der Seite eine Durchreiche und im Hintergrund ein Kasten mit Fächern für die Zimmerschlüssel. Auf der rechten Vorbühne ist die kleine Hotelbar: eine Theke mit zwei oder drei Hockern und ein gut sortierter Barschrank.
Kleidung: Salopp, winterlich. Feste Schuhe.
Musik: Während der Pause sollte Visions of Johanna von Bob Dylan zu hören sein. Zum Schluss kann Stand by Your Man von Tammy Wynette gespielt werden.
I. Akt Akt
I.1 Vorbühne: Rezeption und Hotelbar
1.1a Winfried und Johanna
Winfried betritt von links den Empfangsraum (Vorbühne). Er trägt eine winterliche Jacke und halbhohe Stiefel. Er hat kein Gepäck bei sich. Er bleibt an der Rezeption stehen und schaut sich suchend um. Hallo.Pause. Er betätigt die Klingel. Hallo. Keiner da?Pause. Versuchen wir’s doch mal auf spanisch. Das hat fast immer geklappt. ¿Hay alguien aquí?
Johanna noch aus dem Hintergrund: No hay nadie.Sie stellt sich hinter die Theke.
Winfried leise: Na also.
Johanna Willkommen in der ‚Alten Post’.
Winfried Schönen Tag, Bender ist mein Name. Herr Merz hat mich angemeldet.
Johanna Herr Merz?
Winfried Ja, Karl Merz, ich bin doch hier richtig?
Johanna Natürlich sind Sie hier richtig. Sie gehören zu den Anmeldungen von Frau Blum, nicht wahr? Sie hat leider keine Namen angegeben.
Winfried Das wusste ich nicht.
Johanna Das macht auch nichts. Ein Doppelzimmer. Das war doch richtig. Sie bekommen Zimmer 7.Sie sieht in den Schlüsselkasten. Der Schlüssel von Nummer 7 fehlt.
Winfried Meine Frau kommt später. Ich hoffe, dass sie es heute noch schafft. Auf jeden Fall wird sie morgen Mittag zur Silvesterwanderung da sein.
Johanna Ich glaube es wäre sehr gut, wenn sie schon am Vormittag hier wäre. Aber das wird Ihnen Herrdenkt nach Merz besser erklären.
Winfried Sagen Sie, - ich bin ein bisschen früh, - kann ich schon in mein Zimmer?
Johanna Nummer 7 ist leider noch nicht fertig. Es kann aber nicht mehr lange dauern. Wenn Sie wollen, können Sie auch Zimmer 5 bekommen. Das hatten wir für Herrn Merz vorgesehen. Beide Zimmer sind sehr hübsch. In Nummer 7 haben Sie den besseren Blick auf den See.
Winfried Ach lassen Sie es, wie es ist. Aber ich könnte einen Kaffee vertragen.
Johanna Gerne.
Winfried Machen Sie gleich ein Kännchen.
Johanna Kommt sofort.Sie geht einen Schritt nach hinten und ruft durch eine Sprechanlage: Ein Kännchen.Wieder zu Winfried: Waren Sie schon einmal hier?
Winfried Nein, leider noch nicht. Obwohl es von uns zu Hause bis hierher keine 70 km sind. Soll ja ein sehr alter Ort sein.
Johanna Wenn Sie so nett wären und sich bitte hier eintragen wollen.Sie legt ihm ein Anmeldeformular hin.
Winfried Ach ja, die üblichen Prozeduren. Soll ich meine Frau auch gleich eintragen?
Johanna Die Adresse genügt. Ihre Frau kann ich später dazu schreiben. Kennen Sie Frau Blum?
Winfried während er das Formular ausfüllt: Blum? Nein, ich weiß nur, dass Karl, ich meine Herr Merz, seit vielen Jahren mit einer Frau zusammen lebt. Offen gesagt, weiß ich auch das erst seit Anfang diesen Monats. Wissen Sie, Karl und ich, wir kennen uns schon ewig. Von der Volksschule bis zum Abitur waren wir immer in der gleichen Klasse. Und haben sogar an der gleichen Uni angefangen. In Mainz. Danach haben wir uns völlig aus den Augen verloren. Komisch, was? Tja, wie das im Leben halt so geht. Oh, jetzt hab’ ich hier Mainz geschrieben.
Johanna Ach, dann wird das gleichzeitig ein Wiedersehensfest. Das finde ich eine sehr schöne Idee - gerade zu Silvester.
Winfried Wir haben uns zufälligerweise wieder getroffen. Aber nur rein telefonisch. Ich suchte einen Experten für eine Radio-Sendung über radioaktiven Müll ...Es klingelt.
Johanna Ah, der Kaffee.
Winfried Ich bin Redakteur beim Rundfunk, müssen Sie wissen.
Johanna holt aus der Durchreiche ein kleines Tablett mit einem Kännchen Kaffee. So, bitte sehr. Trinken Sie ihn ruhig hier. Oder drüben in der Bar. Wenn Sie mich jetzt entschuldigen. Ich denke, Ihr Zimmer wird bald fertig sein. Ab.
1.1b Winfried und Karl
Winfried schenkt sich Kaffee ein. Heiß!Er geht mit dem Tablett hinüber zur Bar, stellt es dort ab und setzt sich auf einen Hocker.
Karl nähert sich der Rezeption. Er ist gerade aus seinem Auto gestiegen und trägt daher auch keinen Mantel und kein Gepäck, ist aber im Gegensatz zu Winfried städtisch gekleidet. Er entdeckt Winfried in der Bar. Im gleichen Moment dreht sich dieser um. Sehr laut: Winnie!
Winfried Charly!
Karl Mensch, Winnie!Es folgt eine herzliche Begrüßung und Umarmung. Mein alter, roter Bruder.
Winfried Lass dich anschauen. Mein bleicher Bruder hat sich überhaupt nicht veränder. Na, ja. Hm. Ja. Doch. Gut gehalten, kann man sagen.
Karl Winnie, ob du’s glaubst oder nicht, ich hätte dich sofort unter 1000 Leuten erkannt. Menschenskind, ganz der alte Indianer. Wo ist Marion, die Zierde deines Wigwams? Ist sie auf eurem Zimmer?
Winfried Da muss ich dich enttäuschen.
Karl Was?
Winfried Sie ist nicht da.
Karl Wie? Das geht nicht. Willst du mir meine alte Freundin und Schlussballpartnerin vorenthalten?
Winfried Keine Sorge, sie kommt nach. Spätestens bis morgen Mittag zur Silvesterwanderung.
Karl Das geht wirklich nicht. Sie muss unbedingt um halb elf hier sein. Ich erkläre dir das später.
Winfried Sie kümmert sich noch um ihre Mutter. Die ist gerade ins Heim gekommen. Eine mittlere Katastrophe, kann ich dir sagen. Aber lass uns von etwas anderem reden. Wie geht’s dir? Und wo ist deine Perle?
Karl Mir geht’s blendend. Ich habe mich lange nicht mehr so gut gefühlt. Sag mal, der Kaffee: immer noch ohne Milch und ohne Zucker?
Winfried Genau wie früher. Unverändert.
Karl nimmt Winfrieds Kaffeetasse und trinkt daraus: Manche Menschen legen sich im Alter schlechte Manieren zu.
Winfried Was man von dir nicht sagen kann. Das hast du schon immer gemacht.
Karl Charly wirst du heute Abend kennen lernen.Er schenkt noch mal Kaffee nach.
Winfried Charly?
Karl Sie heißt Charlotte. Ich nenne sie Charly.
Winfried Hoffentlich komme ich da nicht durcheinander bei so vielen Charlies. Charlotte, hieß nicht auch diese kleine Kellnerin so, die aus der Jazz-Pinte? Du weißt, welche ich meine.
Karl Ja, natürlich, die kleine Dralle. Mensch, nein, die hieß, na, ... auf keinen Fall Charlotte. Ilse, ja. So hieß sie. Wo wir schon bei den Mainzer Kneipen sind, weißt du, woran ich die ganze Zeit auf der Fahrt hierher denken musste?
Winfried Sag schon.
Karl An unseren letzten Abend in Mainz. Bei Uschi und Antje. Du erinnerst dich. Das Sommersemester war gerade vorbei.
Winfried Oh, Charly, bitte nicht.
Karl Irgendwer hatte erzählt, dass Marion am nächsten Tag diesen Brillen-Knilch heiratet, diesen knochentrockenen Typ. War Mathematiker.
Winfried War eine Ente.
Karl Was ich erst vor einer Woche erfahren habe - von dir, du Schuft! Wenn ich das damals gewusst hätte ...
Winfried Und nachdem wir bei Uschi und Antje aus der Kneipe geflogen sind, haben wir unsere Trauer bei dir begossen. Mit Slivovitz.
Karl Und die ganze Nacht über Bob Dylan gehört.
Winfried singend: Sad eyed Lady of the Lowlands.
Karl Desolation Row, Visions of Johanna.
Winfried Erinnere mich bitte nicht daran.
Karl nachdenklich: Schade, die Platten habe ich alle verloren.Er trinkt den Kaffee aus.
Winfried Eine Woche später warst du in Aachen und ich in Münster.Pause. Und weißt du, wem ich bei meinem ersten Besuch in der Mensa direkt in die Arme laufe?Pause. Marion!
Karl Zounds!Setzt die Kaffeetasse ab.
Winfried Mir fiel beinahe das Tablett aus den Händen. Vor mir stand Marion. Ohne Brillen-Knilch. Und der wichtigste Störfaktor zwischen Marion und mir war auch verschwunden. Der trieb nämlich jetzt sein Unwesen in Aachen. So gelang es mir ganz leicht, Marion in meiner unvergleichlichen Anschleich-Technik zu erobern.
Karl Das war also der Grund, warum du dich nie wieder gemeldet hast.
Winfried Das stimmt nicht! Ich habe dir noch mindesten 3 Jahre lang zum Geburtstag eine Karte geschickt.
Karl Zwei und ohne je ein Wort von Marion zu erwähnen. Ich hätte sofort reagiert.
1.1c Winfried, Karl und Johanna
Johanna erscheint an der Rezeption in der Hand den Schlüssel von Zimmer 7. So, das Zimmer ist fertig.Sie entdeckt Karl, nimmt den Schlüssel mit der Nummer 5 aus dem Kasten und geht zur Bar. Guten Tag. Sie sind Herr Merz. Ich habe ihren Familiennamen erst vorhin erfahren. Charly spricht immer nur von ihrem Carlo.
Karl Solange Sie keinen Kater erwartet haben ...
Johanna Ich habe schon so viel von Ihnen gehört. Ich bin Johanna, alle Welt nennt mich nur Johanna.
Karl Oder Johnny, wenn ich mich nicht irre.
Winfried Hihihi ... Entschuldigung. Das war ein alter Scherz aus Jugendzeiten.
Johanna Sam Hawkens, wenn ich mich nicht irre?
Winfried Ah, Sie haben auch Karl May gelesen?
Johanna Nicht nur das. Bei den Sommerfesten unseres Indianer-Vereins habe ich fünfmal die Nscho-tschi gespielt.
Karl Meinen roten Bruder Winnie haben Sie ja schon kennen gelernt. Er war übrigens der erste bei uns im Dorf, der bei den Jungsozialisten eingetreten ist.
Johanna Ist Charly auch schon mitgekommen? Ich meine Ihrezögerlich Verlobte.
Karl leise: Nicht mehr lange.Laut: Nein, sie wird erst gegen Abend kommen, Johnny, eh, Johanna.
Johanna Sagen Sie einfach Johanna.Zu Winfried: Und Sie auch.
Winfried Ob Johanna oder Johnny, das bleibt sich gleich, Hauptsache wir sind gut untergebracht und bekommen etwas anständiges zu Essen, würde Pitt Olbers sagen, wenn ich mich nicht irre.
Karl War das nicht der andere, dieser ...
Johanna Dick Hammerdull. Der kleine Dicke von den ‚verkehrten Toasts’.
Karl Genau der. Jetzt hole ich meinen Koffer, mein lieber Pitt, altes Coon.
Johanna Sie haben Zimmer 5.Sie gibt Karl seinen Schlüssel. Karl ab. Zu Winfried: Kommen Sie mit, ich zeige Ihnen Ihr Zimmer.Beide ab.
I.2 Hauptbühne: Zimmer 7
2.2a Johanna und Winfried
Johanna und Winfried betreten die Hauptbühne, Zimmer 7.
Johanna So, Zimmer 7. Ich wollte nur rasch noch etwas im Bad überprüfen.Sie legt den Zimmerschlüssel auf den Sekretär, geht kurz zur Badezimmertüre hinaus und kommt rasch wieder zurück. Alles in Ordnung. Es gab schon mal Probleme mit dem Duschvorhang.
Winfried bleibt irritiert in der Mitte des Zimmers stehen. Nein.
Johanna Entschuldigung.Sie geht zum Fenster und zieht den Vorhang zurück. Hier haben Sie den schönsten Blick auf den See.
Winfried blickt völlig fassungslos zum Fenster hinaus: Gibt es noch andere Zimmer mit Blick auf den See?
Johanna Ja, Nummer 5 und Nummer 6. Im Winter kann man den See von dort ganz gut sehen. Dann stört das Laub der Bäume nicht.
Winfried aus dem Fenster zeigend: In dem Haus hier unten gegenüber ist eine Apotheke?
Johanna Jetzt nicht mehr. Die ist seit ein paar Jahren etwas weiter unten in der Straße.
Winfried Und um die Ecke ist eine Buchhandlung?
Johanna Leider gibt’s die nicht mehr. Mein Mann und ich finden das sehr schade. Jetzt sind da ein Sonnenstudio und ein Schnellbäckerei.
Winfried Sagen Sie, Johanna, dieses Hotel heißt doch Zur Alten Post.
Johanna Ganz recht. Zur Alten Post. Es war früher mal eine Poststation - im Mittelalter.
Winfried Ganz sicher?
Johanna Lieber Herr Bender, ich lebe seit meiner Kindheit in diesem Dorf. Ich habe hier schon als junges Mädchen in der Küche ausgeholfen und leite dieses Hotel seit fast 18 Jahren zusammen mit meinem Mann. Allerdings hatte das Restaurant in den Fünfziger Jahren mal einen anderen Namen: Zum Blauen Aff’.
Winfried völlig ungläubig: Blauer Aff’?
Johanna Bei den ganz alten Dorfbewohnern heißt es noch heute so. Und Charly nennt es auch so, Frau Blum, meine ich. Sie hat einen Hang zu drolligen Namen.
Winfried Johanna, geben Sie mir bitte ein anderes Zimmer. Ja? Ich weiß es sehr zu schätzen, dass Sie mir das mit dem schönsten Blick auf den See geben wollen. -Bitte, es wäre sehr wichtig für mich. Ich möchte Ihnen nicht irgendwelchen Unsinn erzählen, wie, ich könnte keinen Seeblick ertragen oder so etwas. Ersparen Sie mir eine Erklärung.
Johanna Tut mir sehr leid. Ich würde Ihnen sofort ein anderes Zimmer geben, wenn ich eins hätte. Es ist keins mehr frei. Schade, Sie hätte vorhin Zimmer 5 nehmen sollen. Aber fragen Sie doch bitte Ihren Freund. Sie können selbstverständlich die Zimmer tauschen. Überhaupt kein Problem.
Winfried Ja, ich werde ihn darum bitten.
Johanna Sie können ihn anrufen.Winfried greift zum Handy in seiner Jackentasche, Johanna deutet auf den Apparat auf dem Sekretär. Das weiße Knöpfchen und dann die Zimmernummer, also fünf. Wenn ich sonst etwas für Sie tun kann?
Winfried Nein, danke.Johanna ab.
2.2b Winfried
Winfried geht zum Telefon und wählt. Es dauert eine Weile, bis sich Karl meldet: Charly, du musst mir unbedingt helfen.Pause. Ich kann’s dir am Telefon nicht erklären. Kannst du zu mir kommen? Nummer 7.Pause. Geht’s nicht schneller? Es ist sehr wichtig.Pause. Gut, bis gleich.Er sieht sich im Zimmer um, schaut zum Fenster hinaus und geht dann ins Badezimmer. Er kommt kopfschüttelnd wieder zurück. Es klopft. Herein.
2.2c Winfried und Karl
Karl High-Day! Du siehst ziemlich bleich aus, mein roter Bruder.
Winfried Ich muss hier raus.
Karl Was?
Winfried Ich kann nicht bleiben. Unmöglich.
Karl Das kannst du nicht machen.
Winfried Sei mir nicht böse und frag’ mich bitte nicht warum. Ich kann’s dir nicht erklären. Es geht wirklich nicht.
Karl Winnie, das kannst du mir nicht antun. Weißt du eigentlich, was morgen ist?
Winfried Allerdings, morgen ist Silvester, das Ende des Jahres und, wenn ich hier nicht bald wegkomme, das Ende meiner Nerven und meiner Existenz.
Karl Ich meine nicht Silvester. Weißt du, dass Charly, also Charlotte, und ich uns an Silvester vor genau 15 Jahren kennen gelernt haben?
Winfried Das ist sehr schön für euch, und es freut mich für euch beide außerordentlich, aber das ist für mich jetzt leider ziemlich nebensächlich, um nicht zu sagen total schnuppe.
Karl Winnie, es ist eine kleine Überraschung geplant. Ich brauche morgen einen Zeugen - und zwar dich.
Winfried Was soll ich denn bezeugen, Charly? Schön, wenn ihr morgen euer 15-jähriges feiert, aber ich muss hier raus. Habe ich dich jemals im Leben um einen wirklichen Gefallen gebeten?
Karl Zumindest nicht in den letzten 25 Jahren.
Winfried Charly, wir sind doch so etwas wie Blutsbrüder. Ich erinnere dich sehr ungern daran.
Karl Ja, ich weiß.
Winfried Okay, dann kannst du mir diesen Gefallen nicht abschlagen.
Karl Das ist fast schon Karl-May-Logik. Lass hören.
Winfried Versprochen?
Karl Unter einer Bedingung und zwar: Du stehst morgen um halb elf hier auf der Matte.
Winfried nach einem Moment: Einverstanden!
Karl Und?
Winfried Wir müssen die Zimmer tauschen!
Karl sichtlich erleichtert: Puh, ich dachte schon, du wolltest dich komplett verdünnisieren.
Winfried Wahrscheinlich wäre das die beste Lösung.
Karl Kannst du mir auch erklären, warum das Theater? Gefällt dir der Blick auf den See nicht?
Winfried In gewisser Weise. Ich kann’s dir leider nicht erklären.
Karl Ah, der Blick auf den See bedeutet - in gewisser Weise - das Ende deiner Nerven, deiner Existenz. Habe ich dich da richtig verstanden?Pause. Ich finde den Blick eher beruhigend. Dieser stille klare See.Pause. Winnie! Ich bin dein Blutsbruder. Du hast mich eben noch daran erinnert.
Winfried Okay. Ich kann mich doch auf deine Verschwiegenheit verlassen?
Karl Ich werde schweigen wie Winnetous Grab.
Winfried Was ich dich eigentlich fragen wollte: Habt ihr Kinder zusammen?
Karl Zusammen nicht. Charly hat einen Sohn, Jano. Er ist 19.
Winfried Kommt er morgen auch?
Karl Nein, das ist eine lange Geschichte. Aber jetzt fang an zu erzählen.
Winfried Ja.Pause.
Karl Komm schon, was ist mit diesem Zimmer? Liegt ein Fluch darauf?
Winfried Genau. Du sagst es: ein Fluch.
Karl Aha. Toll. Ein Fluch. Ein Fluch aus alten Zeiten.
Winfried Ja, das könnte man sagen.
Karl Und wie äußert sich dieser Fluch? Bekommt jeder, der hier schläft, die Beulenpest? Hämorrhoiden? Oder Nasenbluten?Pause. Und ich soll hier rein?
Winfried Der Fluch gilt nur für mich.
Karl Winnie, du warst schon mal hier?
Winfried Ja. Ich bin mir völlig sicher. Vor, warte mal, vor 8 Jahren. Im Mai.
Karl schlägt sich mit der Hand an die Stirn: Zounds! Du warst nicht alleine hier.
Winfried Exakt.
Karl Und wenn mich mein Spürsinn nicht völlig verlassen hat, dann nicht mit Marion.
Winfried Erraten.Betretenes Schweigen.
Karl Oh, Winnie, das hätte ich nicht von dir gedacht.Pause. Nur einmal?
Winfried Spielt das eine Rolle?
Karl Ich denke schon.
Winfried Ja, nur einmal.
Karl Also ein Ausrutscher, könnte man sagen.
Winfried Vielleicht. Es war an Anjas 13. Geburtstag. Am 24. Mai. Sie fuhr an diesem Tag auf ihre erste Klassenfahrt. Nach Luxemburg. Und Marion fuhr mit ihrer Klasse nach Lübeck - als Klassenlehrerin.Pause. Ihr habt doch einen PC zuhause - mit Internet-Anschluss.
Karl Ja, klar, schon ewig. Aber da sitzt meistens Charly dran. Mir reicht meiner im Büro.Pause. Und, weiter?
Winfried Du weißt, was Chat-Räume sind?Karl nickt. Menschen lernen sich dort kennen. Reden miteinander, also sie schreiben sich - und manchmal treffen sie sich auch in der realen Welt. Alles läuft anonym ab. Sie nannte sich Johanna.
Karl Oh, wie unsere Wirtin. Sag, mal, das war doch nicht ...
Winfried Nein, nein.
Karl Weil du andeutetest, ihr habt euch hier getroffen. Wie hast du dich genannt?
Winfried Old Surehand.
Karl Gar nicht mal unpassend, Herr Bender. Wie war das noch? Old Surehand war Leo Bender und Apanatschka war sein Bruder und hieß eigentlich Fred Bender. Oder war’s umgekehrt? Wie hieß noch mal die Mutter?
Winfried Kolma Puschi. Soll ich weiter erzählen?
Karl Ja, bitte.
Winfried Wir haben nie nach unseren echten Namen gefragt. Und nie erfahren. Irgendwann haben wir unsere Telefonnummern ausgetauscht. Wir hatten vereinbart, nur an bestimmten Tagen und nur zu bestimmten Zeiten anzurufen. An diese Regeln haben wir uns strikt gehalten.
Karl Du hast nie versucht, ihren richtigen Namen herauszubekommen? Es gab doch diese CDs, mit denen man den Teilnehmer über die Telefonnummer feststellen konnte.
Winfried Die gibt’s bestimmt immer noch. Aber ihre Nummer stand nicht im Telefonbuch.
Karl Wie bei uns. Ich gebe dir mal meine Privatnummer.Er gibt ihm seine Visitenkarte, die dieser unbesehen einsteckt.
Winfried gibt ihm seine. Meine übrigens auch nicht. Ich hatte damals einen zweiten, geheimen Anschluss.
Karl Und wie lange ging die Geschichte?
Winfried Insgesamt 4 Monate. Es war eine sehr ungewöhnliche Begegnung. Weißt du, beim Chatten merkst du ziemlich rasch, mit wem du es zu tun hast. Die meisten Gespräche sind banal, um nicht zu sagen unterstes Schubladen-Niveau. Bei Johanna war alles ganz anders. Ich weiß nicht, wie ich dir das erklären kann. Irgendwie hat es gleich beim ersten Gespräch - geklickt.
Karl Geklickt? Du bist sicher, das es nicht deine Tastatur war, die geklickt hat?
Winfried Ach, du ... Unterbrich mich nicht, sonst hör ich auf.
Karl Dann bleib ich in meinem Zimmer.
Winfried Wir haben uns ziemlich bald getroffen. Ich meine real. Das erst Mal war in der Karnevalswoche. Leider nur kurz. In einem Lokal. Sie mochte diesen Rummel nicht und wollte auch nicht tanzen.Pause. Das zweite Mal hatten wir uns auf einem Parkplatz verabredet. Das war an diesem Tag im Mai. Von dort hat sich mich hier her gefahren. In den Blauen Aff’, wie sie gesagt hat. Sie hatte alles vorher arrangiert.
Karl Dann ging also die Initiative von ihr aus?
Winfried Ich habe mich nicht gewehrt.Pause. Wir kamen mittags an. Das Hotel hatte Ruhetag. Sie hatte sich sogar vorher den Schlüssel besorgt. Zimmer 7. Das ist aber auch so ungefähr das einzige, was mir von dem Hotel in Erinnerung geblieben ist. Deswegen ist mir auch nicht gleich aufgefallen, dass ich schon mal hier war. Ich war natürlich mit meinem Kopf ganz wo anders.
Karl Ich kann mir gut vorstellen, wo dein Kopf war.
Winfried Gegen vier sind wir dann wieder weg.Pause.
Karl Und wie ging’s weiter?
Winfried Überhaupt nicht. Das war’s. Wir haben danach noch genau ein einziges Mal miteinander telefoniert. Wir haben uns gesagt, es war sehr schön, und wir wollen es dabei bewenden lassen. Ich glaube, wir wollten beide nicht unsere Beziehungen gefährden. Sie hatte auch Familie und, genau wie ich, ein Kind in schulpflichtigem Alter. Auf die Dauer wäre das nicht gut gegangen.Pause. Jetzt weißt du, warum ich unmöglich in diesem Zimmer bleiben kann.
Karl Du wirst von Zimmer 5 enttäuscht sein. Es liegt genau hier drunter, wenn ich mich nicht irre, und sieht genauso aus, wie das hier. Man sieht den See nicht ganz so gut durch die Bäume. Das ist der einzige Unterschied.
Winfried Es ist nicht dasselbe Zimmer und nicht dasselbe Bett. Ich kann doch nicht mit Marion heute Nacht hier in diesem Bett schlafen. Begreif’ das doch endlich. Der Seeblick interessiert mich einen feuchten Dreck.
Karl Winnie, lass mich nachdenken. Ich versuche mir vorzustellen, wie ich das fände, wenn ich in deiner Haut stecken würde, - und ich komme zu dem Ergebnis, ich möchte auch nicht hier drin bleiben.
Winfried Dann lass uns jetzt die Zimmer tauschen.
Karl Dann wollen wir das mal tun. Howgh! Ich hab’s versprochen.
Vorhang.
II. Akt Akt
II.1 Vorbühne: Rezeption
1.1a Charly und Johanna
Charly kommt von links an die Rezeption. Sie trägt eine sportliche Jacke und hat gleichfalls kein Gepäck dabei: Johnny?Lauter: Johnny!
Johanna tritt hinter die Rezeptionstheke: Charly!Herzliche Begrüßung und Umarmung. Mensch Charly, wie lange warst du jetzt nicht mehr hier, du treulose Tomate.
Charly Gut siehst du aus.
Johanna Fast 10 Jahre! Auf dem vorletzten Klassentreffen.
Charly Was macht dein Blaues Äffchen? Ich meine den blonden.
Johanna Wir sind sehr zufrieden. Das Hotel und das Restaurant laufen gut. Peter ist, wie üblich, den ganzen Tag in der Küche. Und falls du auf das Blaue im Aff’ anspielst, Peter ist seit über 8 Jahren trocken.
Charly Hm, schön. Und das geht gut mit dem Restaurant und dem Weinkeller?
Johanna Ja, kein Problem. Auf jeden Fall bin ich sehr froh darüber.
Charly Das kann ich mir vorstellen.
Johanna Und eigentlich verdanken wir diesen Erfolg nur dir.
Charly Was?
Johanna Dass Peter nicht mehr trinkt. Das hat mit deinem letzten Besuch hier zu tun, und da fällt mir ein, das war nicht das vorletzte Klassentreffen.
Charly Beim letzten war ich krank.
Johanna Nein, es war ein Jahr später. Du erinnerst dich vielleicht daran, du hattest für einen Kollegen oder Besucher ein Zimmer reserviert und den Schlüssel abgeholt. Weil tags drauf Ruhetag war.
Charly Ach ja, das war für diesen komischen Typ von der Sächsischen Forstverwaltung. Der sollte an einem Seminar von uns teilnehmen. Er wollte unbedingt vorher einen Tag in der Eifel verbringen.
Johanna War der nicht aus Mainz?
Charly Ich weiß nicht mehr.
Johanna Ich habe ja noch den Anmeldezettel. Den hab ich mir extra aufgehoben.
Charly Auf jeden Fall ist er gar nicht auf dem Seminar erschienen. Merkwürdige Geschichte.
Johanna Und hier ist er schon nachmittags abgehauen. Keiner von uns hat ihn gesehen. Ich glaube, er hat das Zimmer nur als Liebesnest benutzt. Es waren nämlich ganz sicher zwei Personen da. Beide Betten waren ziemlich verwühlt.
Charly Wenn ich das gewusst hätte! Tut mir wirklich leid.
Johanna Macht doch nichts. Du kannst doch nichts dafür. Und das Geld lag auf dem Tisch - inklusive Trinkgeld. Der Herr hat sich nicht lumpen lassen. Ach, noch etwas Merkwürdiges: du hattest ihn, glaube ich, als Herrn Müller angekündigt.
Charly Keine Ahnung. Das ist doch schon so lange her.
Johanna Ich weiß noch, eingetragen hatte er sich unter einem anderen Namen.
Charly Ich habe dir ja schon gesagt, bei uns ist er gar nicht angekommen. Lass uns von morgen reden.
Johanna Gleich, das wichtigste kommt ja noch. Er und seine Gespielin, es war ganz sicher eine Frau, müssen es so toll getrieben haben, dass der Duschvorhang kaputt ging. Ich wüsste so gerne, wie die das gemacht haben.
Charly Oh! Ich werde ihn dir erstatten.
Johanna Du kannst doch nichts dafür. Auf jeden Fall ist Peter bei der Reparatur von der Leiter gefallen.
Charly Auch das noch! Das tut mir wirklich sehr leid.
Johanna Es war alles seine Schuld. Er war ziemlich betrunken und hat sich mehrere Rippen gebrochen. Er musste sogar für ein paar Tage ins Krankenhaus.
Charly Oh, nein! Wie schrecklich! Was habe ich bloß angerichtet!
Johanna Das war ein Glücksfall, Charly, in doppeltem Sinn. Peter hat es sich eine Warnung sein lassen. Er hat aufgehört zu trinken - endgültig! Irgendwie habe ich das nur dir und deinem ominösen Herrn Müller und seiner Dame zu verdanken.
Charly Kommen wir lieber zu meinem Carlo.
Johanna Ist bereits da.
Charly Ihr habt euch schon kennen gelernt?
Johanna Ja, haben wir. Du hättest ihn mir ruhig schon mal früher vorstellen können.
Charly Ja, ich weiß. Immerhin habe ich dir Fotos von uns gezeigt. Auf dem Klassentreffen. Ich erinnere mich noch recht gut an deine Leidenschaft für meine Freunde.
Johanna Sein Freund ist auch schon da.
Charly Winnetou persönlich. Die beiden waren auf der Schule ganz dicke Kumpels und haben immer Karl May gespielt.
Johanna May, ich glaube, er hieß so ähnlich wie Karl-Heinz May.
Charly Wer?
Johanna Dein Herr Müller. Lassen wir’s gut sein. Reden wir von morgen. Dein großer Tag! Und du willst ihn wirklich nur in ganz kleinem Kreis feiern?
Charly Wir sind doch nicht mehr die Jüngsten, Johnny. Ich bin jetzt exakt 15 Jahre mit Carlo zusammen. Als er mich gefragt hat, ob wir nicht heiraten sollen, konnte ich den schönen Scherz anbringen: Ja, wer nimmt uns denn jetzt noch? Außerdem ist es doch mehr oder weniger eine Formsache. Bei dir war das was anderes.
Johanna Ist schon fast 20 Jahre her, dass du meine Brautjungfer warst.
Charly Dafür bist du morgen meine Trauzeugin. Apropos Trauzeuge. Wie ist denn so Carlos alter Blutsbruder? Mir hat diese Idee nicht sonderlich gefallen: sein bester Schulfreund als Trauzeuge. Nee, ich weiß nicht. Die beiden haben sich 25 Jahre nicht mehr gesehen. Carlo wollte mir gestern noch Fotos von ihm zeigen. Die einzigen, die er hatte, waren von seiner Abiturfeier. Aber typisch Carlo, der geniale Fotograf: man konnte überhaupt nichts drauf erkennen. Sein Winnetou dreimal von hinten, zweimal mit abgeschnittenem Kopf und einmal halb schräg hinter Carlos Schlussballpartnerin. Muss eine heimliche Liebe von beiden gewesen sein.Es ertönt ein Klingelzeichen.
Johanna Entschuldige, Charly. Das ist der Meister der Küche. Ich geh mal besser hin.
Charly Ja, ich muss sowieso noch meinen Koffer holen.
Johanna Du kennst dich ja aus.Ab.
Charly Lange genug ausgeholfen. Immer in den Semesterferien. Sie geht hinter die Rezeptionstheke und schaut in den Anmeldungen nach.
1.1b Charly und Marion
Marion tritt von links vor die Rezeption. Sie hat kein Gepäck bei sich.
Marion Guten Tag. Bender. Mein Mann ist vermutlich schon hier.
Charly Guten Tag.Sie blättert in den Anmeldezetteln: Ja, ganz recht. Herr Bender ist schon eingetroffen. Zimmer 7.
Marion Hübsch haben Sie’s hier.
Charly Danke.
Marion Ich hatte schon gedacht, ich würde es heute nicht mehr schaffen. Nummer 7?
Charly Ja. 7. Die Treppen hinauf und dann links. Marion zur Mitte ab. Charly sieht ihr nachdenklich hinterher und geht dann nach links ab.
II.2 Hauptbühne: Zimmer 7
2.2a Marion und Karl
Marion betritt ohne anzuklopfen das Zimmer. Einen Moment später kommt Karl spärlich bekleidet aus dem Badezimmer.
Marion Hallo Liebling! Überraschung!Sie entdeckt Karl, erkennt ihn aber nicht. Oh, Pardon! Irrtum in der Zimmertüre.
Karl sehr erstaunt: Marion!
Marion Karl! Was machst du denn hier? Wo ist Bärchen? Du bist im falschen Zimmer.
Karl Marion, ich bin sprachlos. Du hast dich fantastisch gehalten. Nein, du siehst besser aus als je zuvor. Weißt du, dass ich bis vor kurzem noch überzeugt war, du hättest jemand ganz anderen geheiratet - bis mir Winnie erzählt hat, dass ihr zusammen seid.
Marion Ach, und was willst du damit sagen?
Karl Dass ich meinem Blutsbruder Winnie alles gegönnt hätte, wirklich alles, mein Vermögen, meine Briefmarken, meine Karl-May-Bibliothek, alles, nur nicht dich.
Marion lacht herzhaft: Möchtest du dir nicht etwas anziehen. Und kannst du mir erklären, warum die Tussi an der Rezeption mich in dieses Zimmer schickt, wenn ich zu Herrn Bender will?
Karl Weil die Tussi es nur gut mit uns meint. Das nennt man das Schicksal - in Form einer Rezeptionistin.Pause. Nein, Marion, sie hat ganz recht.Theatralisch: Sei bitte stark, sie hat dir die Wahrheit gesagt. Dein Winnie-Bärchen ist noch unter der Dusche. Er und ich ... weißt du, dass wir beide nicht nur Blutsbrüder sind ...
Marion Komm’, hör’ auf mit dem Quatsch.
Karl Okay, ich verrate es dir. Aber nur, wenn du nicht sofort wieder gehst. Setz dich doch bitte.
Marion Aber nur, wenn du dir etwas anziehst.Sie setzt sich aufs Bett.
Karl Ganz im Ernst. Er ist in Nummer 5. Wir haben nach eingehender Diskussion, so wie wir das früher gerne gemacht haben, - du erinnerst dich bestimmt noch an unsere legendären Debatten um die Zerschlagung des Kapitalismus - ... also, kurz und gut, wir haben beschlossen, die Frauen zu tauschen, eh, die Zimmer natürlich. Er meinte, mir stünde das bessere Zimmer zu, das mit dem wunderbaren Blick auf den See, und zwar weil ich erstens 5 Tage älter bin als er, in Schaltjahren sogar 6, und zweitens, weil morgen ... - ach, das weißt du ja noch gar nicht.
Marion Was? Morgen ist Silvester.
Karl Ja, nicht nur.Er setzt sich neben sie.
Marion Ah, die Silvesterwanderung. Meinst du das?
Karl sie anstarrend: Ich meine überhaupt nichts mehr. Mein Gott, muss ich ein Idiot gewesen sein. Wer hat eigentlich damals das gottverdammte Gerücht in die Welt gesetzt, du würdest diesen komischen Knilch heiraten, diesen ...
Marion Ja, ich weiß, wen du meinst. Ach, der Name fällt mir jetzt nicht ein. Unwichtig. Das Gerücht stammt übrigens von mir. Ein kleiner Scherz - um euch loszuwerden. Hat ja auch geklappt, zumindest was dich angeht.
Karl Weißt du, ich habe sogar versucht zu erfahren, wo du heiratest. Ich wäre hingegangen und, wenn die berühmte Frage gekommen wäre, ob jemand etwas gegen diese Ehe vorzubringen habe, hätte ich nicht geschwiegen, sondern laut gerufen: ja, ich!
Marion Ich habe aber doch gar nicht geheiratet.
Karl Ja, aber irgendwann doch, und ausgerechnet meinen alten Kumpel Winnie. Wenn ich mir’s recht überlege, hätte ich es besser gefunden, du hättest diesen Knilch geheiratet, diesen Langweiler. Du weißt schon.
Marion Aber ich hätte das nicht gut gefunden. Verstehst du das?
Karl Aber warum Winnie?
Marion Er hat mich geschwängert.
Karl Das hätte ich auch geschafft.
Marion lacht: Nein, das war auch nicht der Grund.
Karl Er hat dich also nicht geschwängert.
Marion Doch. Ich versuche, es dir zu erklären. Kennst du zufällig den Ulysses? Den Roman?
Karl Ja, natürlich! Von James Joyce. Haben wir zuhause. Das heißt, Charly hat ihn gelesen. Ich glaube, ich hab’s nur bis Seite 100 geschafft, oder vielleicht waren es auch nur 80, 70 ...
Marion Da bist du nicht der einzige.
Karl Nimmst du den in deinem Englischunterricht durch?
Marion Nein, leider nicht. Aber vielleicht hättest du besser die letzten 80 Seiten lesen sollen, Mollys Monolog, in dem sie sehr viel über die Männer nachdenkt.
Karl Ich weiß, Frau Lehrerin: Innerer Monolog, wenn ich mich nicht irre.
Marion Gut, setzen. Sie erinnert sich an die Männer, von denen sie begehrt wurde, darunter auch an den, mit dem sie am Nachmittag geschlafen hat und mit dem sie nicht verheiratet ist. Und dann denkt sie wieder an ihren Mann, an Poldy, was für ein toller Kerl er doch ist, im Vergleich zu den anderen. Und als wir alle schon glauben, ja klar, dass sie sich damals für Poldy entschieden hat, da kommt der Tiefschlag, die Keule für alle Männer, die glauben, etwas besonderes zu sein, die sich etwas darauf einbilden, eine Frau erobert zu haben. Sie sagt ganz schlicht: Er so gut wie ein anderer. So ist das mit euch Männern. Vermutlich wäre es auch mit dir ganz schön geworden. Wer weiß? Aber du hast es vorgezogen, aufgrund einer lächerlichen Falschmeldung den Schwanz einzuziehen und bist abgehauen nach Aachen. Du hättest wenigstens mal anrufen können und mir zur vermeintlichen Hochzeit gratulieren.
Karl Willst du damit sagen, wenn ich dich damals angerufen hätte ...
Marion Du hast es vorgezogen, dich mit Winfried fürchterlich zu betrinken.
Karl Marion, du bist unfair. Winnie war mindestens genauso betrunken wie ich, und ihn hast du geheiratet. Du hast sogar ein Kind mit ihm.
Marion Zieh dir lieber was an.
Karl An Heiligabend verrät mir dein scheinheiliger Gatte am Telefon, wen er zu Silvester mitbringt, nachdem wir vorher ein Dutzend Mal miteinander telefoniert hatten. „Ja, meine Frau hat sich entschlossen mitzukommen, ach ja, du kennst sie ja auch, du erinnerst dich doch noch an unsere Marion. Sie lässt dich schön grüßen und wünscht dir ein frohes Fest.“ Unsere Marion hat er gesagt. Unsere. Seit dem musste ich immerzu an die alten Zeiten denken, an die Tanzstunden. Weißt du, Charly, meine Lebensgefährtin, also sie heißt eigentlich Charlotte, sie kann leider überhaupt nicht tanzen. Der Langsame Walzer mit dir auf dem Schlussball.
Marion Ja, tanzen konntest du, übrigens bedeutend besser als Winfried.
Karl Ich dachte, es geht vorbei, wenn ich dich erst sehe. Wenn ich sozusagen der Realität ins Auge schaue. Ein bisschen hatte ich gehofft, du wärst eine pummelige Matrone geworden. Verzeih mir das. Dann wäre vieles leichter für mich. Und jetzt, wo du hier neben mir auf dem Bett sitzt, wo du mir erklärst, du hättest dich damals wahrscheinlich für mich entschieden, wenn ich nicht im entscheidenden Augenblick versagt hätte, jetzt ist alles nur noch viel schlimmer. Diese Augen leuchten immer noch genau so wie früher. Dieser Mund ist so wunderbar.Er rückt immer näher zu ihr.
Marion Hör auf, Karl.
Karl Ich möchte dich küssen, wie damals unter der Zeder - nach dem Schlussball, auf dem Heimweg. Erinnerst du dich? Dieser gewaltige, dunkle Baum. Und deine vollen roten Lippen. Seit dem bist du für mich die sublimierte Form von purem Sex.
Marion Karl!
Karl Vielleicht werden wir nie wieder so nebeneinander sein.
Marion Das will ich doch stark hoffen.
Karl Marion, es gibt Ereignisse, für die es nur einen einzigen Moment im Leben gibt und manchmal kommt diese Zeit erst nach vielen, vielen Jahren.
Marion Zieh dir endlich was an.
Karl Warum soll ich mir etwas anziehen. Du solltest viel lieber ...
Marion Karl!
Karl sehnsüchtig: Marion.
Marion steht auf: Ich brauch jetzt ganz dringend ...
Karl ... einen ...
Marion Kaffee.Rasch ab.
II.3 Hauptbühne: Zimmer 5
3.3a Charly und Winfried
Winfried liegt im Bett und schläft. Er ist gut zugedeckt und kaum zu erkennen. Auch er ist spärlich bekleidet.
Charly betritt das Zimmer ohne anzuklopfen: Katerchen! Oh, schläfst du? Das geht aber jetzt nicht.Sie geht zum Bett und schüttelt den schlafenden Mann. Keine Müdigkeit vorschützen. Hopp.Sie erkennt, dass es sich nicht um ihren Karl handelt. Oh, entschuldigen Sie bitte, das ist mir schrecklich peinlich. Ich dachte mein Mann ...Sie erkennt jetzt, wer im Bett liegt, und schreit laut auf. Ah! Du?? Um Gottes Willen, Leo, was machst du hier?
Winfried Johanna. Ach du liebe Zeit. Du? Das darf nicht wahr sein. Vorhin habe ich noch von dir gesprochen.
Charly Ich heirate morgen, Leo. Was erzählst du da für einen Unsinn. Wie kommst du überhaupt hier her?
Winfried Mit dem Auto. Wieso heiratest du? Ich dachte, du wärst verheiratet. - Was? Du bist inzwischen geschieden und hast einen anderen Mann kennen gelernt, den du morgen heiratest? Ausgerechnet in diesem Hotel.
Charly Gar nichts verstehst du. Ich war damals so gut wie verheiratet. Nur das ich morgen auf dem Standesamt hier in diesem Dorf ganz offiziell heirate. Wie kannst du nur denken, ich hätte nach dir noch mal was mit einem anderen Mann angefangen.
Winfried Na, ja, ich dachte ... zum Beispiel der Vater deines Sohnes.
Charly Der? Nein danke.
Winfried Entschuldige bitte, ich möchte mir etwas anziehen. Er steht auf. Charly kümmert sich nicht um ihn. Er sieht nach draußen: Es fängt an zu schneien.
Charly Es schneit seit über einer Stunde. Und in meinem Kopf ist auch nur noch Schneegestöber. Warum passiert das ausgerechnet mir? Kannst du mir das erklären? Warum zum Teufel tauchst du ausgerechnet jetzt auf? Einen Tag vor meiner Hochzeit. Nach 8 ½ Jahren. Ausgerechnet hier in diesem Hotel.
Winfried Das ist ein Zufall, den ich dir ganz einfach erklären kann.
Charly Ein Zufall. Ja, ja. Das ganze Leben ist eine Kette von Zufällen. Rein zufällig wird man bei einer dieser Gelegenheiten schwanger. Rein zufällig lernt man einen anderen Mann kennen, mit dem man zusammenzieht und zusammen lebt. Und rein zufällig lerne ich dich vor neun Jahren kennen. Beim ersten Versuch erwischst du eine Niete. Der zweite ist gut, richtig gut. Er wäre noch viel besser, wenn dir nicht rein zufällig noch ein echter Volltreffer begegnet wäre. Weißt du, Leo, was ich für einen Moment geglaubt habe? Ich dachte, dass es vielleicht im Leben Menschen gibt, die füreinander bestimmt sind, die von Natur aus zusammengehören. Und das ganze Elend des Lebens besteht darin, dass sich diese Menschen immer nur suchen und nie finden. Aber es gibt ganz wenige Ausnahmen. Einige schaffen es doch. Sie finden zueinander. Nur leider müssen sie dann feststellen, dass es um Jahre zu spät ist. Aber vielleicht ist das auch alles nur Einbildung.
Winfried Du bist ganz sicher, dass du morgen heiraten möchtest?
Charly Versteh mich nicht falsch, Leo. Ich bin nicht unglücklich, nein, bestimmt nicht. Er ist ein wunderbarer Mann. Aber wenn ich dich 10 Jahre früher kennen gelernt hätte, dann hätte ich versucht, dich zu bekommen.
Winfried Weißt du, Johanna, du kanntest ja meine Situation ...
Charly Du musst mir wirklich nichts erklären. Gar nichts.Sie geht zur Türe - also nach vorne. Eins hätte ich gerne gewusst: Hast du in den letzten Jahren ab und zu an mich gedacht?
Winfried Ja. Manchmal. Nein: oft.
Charly beim Verlassen des Raums: Ach so, wo ist eigentlich mein Carlo? Ich bin so durcheinander.
Winfried Wer?
Charly Ich meine Carlo Merz. Der ist laut Buchung hier in Zimmer 5.
Winfried Was? Merz??
Charly Ja, Merz. Wie May. So heißt mein Zukünftiger.
Winfried Der muss in Zimmer 7 sein.
Charly Nein, da ist ein Winfried Bender drin, sein Schulfreund. Macht nichts. Ich find ihn schon.Ab.
II.4 Vorbühne: Hotelbar
4.4a Marion und Charly
Marion sitzt an der Theke der Hotelbar. Charly kommt von der Rezeption und bringt ihr ein Kännchen Kaffee.
Charly So, bitte sehr, der Kaffee.
Marion Danke. Wissen Sie, ich könnte einen Brandy dazu vertragen. Trinken Sie einen mit? Auf mich natürlich. Sie sehen so aus, als ob Sie was für Ihren Kreislauf gebrauchen könnten.
Charly Gerne. Sehe ich so blass aus?
Marion Als wäre Ihnen ein Gespenst über den Weg gelaufen.
Charly Das kann man wohl sagen. Warten Sie.Sie dreht sich zum Barschrank um. Hier gab es immer einen wunderbaren alten Armagnac. Wo ist er denn? Tatsächlich, da haben wir ihn.Sie nimmt aus dem Barschrank eine Flasche und zwei Cognacschwenker und schenkt ein. Der geht aber auf mich.
Marion Sie meinen es sehr gut mit mir. Nein, das kann ich nicht annehmen.
Charly Doch, können Sie und dürfen Sie. Ich erkläre Ihnen später warum.
Marion Dann müssen Sie mir aber von Ihrem Gespenst erzählen.
Charly Und Sie mir von Ihrem - oder hat Ihnen der Weihnachtsmann den Brandy verordnet.
Marion ihr Glas hebend: Auf die Vertreibung der Gespenster.
Charly Weg mit den Schatten der Vergangenheit.Sie trinken.
Marion Oh, da haben Sie nicht zu viel versprochen. Hm!
Charly Die Geschichte bleibt aber unter uns.
Marion Versteht sich.
Charly Ich heirate nämlich morgen.
Marion Oh, herzlichen Glückwunsch. Das hätte ich jetzt nicht erwartet. Hm, haben Sie gerade Ihren Bräutigam mit einer anderen in flagranti erwischt?
Charly Nein, eher umgekehrt.
Marion Was, er Sie?
Charly Nein, nein.
Marion Sind Sie schwanger? Von einem anderen?
Charly Nein, auch nicht.
Marion Sie haben ein Kind von einem anderen Mann.
Charly Ja, seit 19 Jahren. Aber das ist wirklich kein Geheimnis.
Marion Was dann? Sie machen mich neugierig.
Charly zögerlich: Da gab es mal eine Geschichte.
Marion So. Eine Geschichte.
Charly Ja, ein Mann. Vor acht Jahren war das.
Marion Aber ich bitte Sie. Wenn das so lange her ist, wo ist da das Problem?
Charly Das Problem liegt darin, dass ich zu diesem Zeitpunkt bereits 7 Jahre mit meinem Freund zusammen war, dem Mann, den ich morgen heiraten werde.
Marion Also ein Seitensprung. Na, hören Sie, das kommt in den besten Familien vor. Außerdem verstehe ich immer noch nicht das Problem. Das haben Sie doch gewusst, als Sie sich zur Heirat entschlossen. Wollen Sie es ihm etwa sagen? Ich halte das nicht für eine gute Idee.
Charly Darum geht es auch gar nicht.
Marion Oh, jetzt hab ich’s: Sie werden erpresst! Der Mann, mit dem Sie damals das Techtelmechtel hatten, hat von Ihrer Hochzeit erfahren und erpresst Sie. Er zwingt Sie, sich ihm noch einmal hinzugeben.Leise: Ein bisschen kitschig.
Charly Nein, wirklich nicht. Das würde er nie tun. Er ist ein völlig integerer Mann.
Marion Schade, es fing gerade an, spannend zu werden.
Charly Aber genau um diesen Mann geht es. Ich hatte seit damals keinerlei Kontakt mehr zu ihm.
Marion Und hatten ihn schon längst vergessen.
Charly Eigentlich nicht. Ich weiß es noch sehr gut, es war damals in Zimmer 7. Und jetzt, ausgerechnet jetzt laufe ich ihm hier in diesem Hotel über den Weg. Einen Tag vor meiner Hochzeit. Fast in dem selben Zimmer wie vor 8 Jahren.
Marion fängt an zu lachen: Entschuldigen Sie bitte. Das ist zu komisch.
Charly Ich verstehe beim besten Willen nicht, was daran komisch sein soll.
Marion Nein, daran alleine ist nichts komisch, aber jetzt kommt die Geschichte von meinem Gespenst. Mir ist nämlich etwas ganz Ähnliches passiert. Nicht so dramatisch wie bei Ihnen. Ich habe gerade einen alten Freund wieder getroffen. Das ist noch sehr viel länger her als Ihre Geschichte.
Charly Ah ja. Ich glaube, ich bringe Ihnen erst einmal einen frischen Kaffee. Der ist ja schon ganz kalt.
Marion Lassen Sie den Kaffee ruhig stehen, ich mag ihn nicht mehr. Also dieser alte Freund war damals ziemlich in mich verschossen.
Charly Ich muss jetzt leider weg. Entschuldigen Sie mich bitte.
Marion Warten Sie noch einen Augenblick. Also ich laufe diesem alten Bekannten direkt in die Arme, hier in diesem Hotel. So wie Sie Ihrem Ex-Lover. Ist das nicht komisch?
Charly Nein, was ist daran komisch? Ich muss jetzt wirklich weg.
Marion Halt, das beste kommt doch noch. Was macht der schamlose Kerl? Er steht halbnackt vor mir und baggert mich an. Das hätten Sie sehen sollen. So was ist mir seit meiner Hochzeit nicht mehr passiert. Und ob Sie’s glauben oder nicht: macht er mir glatt einen unsittlichen Antrag. Ist das zu fassen. Nach 25 Jahren. Ich konnte gerade noch hier her flüchten.
Charly Ich verstehe immer noch nicht, wo da die Ähnlichkeit liegt.
Karl nähert sich der Hotelbar.
Marion leise: Achtung, da kommt er gerade. Sagen Sie bitte nichts zu ihm.
4.4b Marion, Charly und Karl
Karl Oh, Charly, schön, dass du schon da bist. Wolltest du nicht erst am Abend kommen? Und du auch? Ich sehe, die Damen haben sich bereits kennen gelernt. Charly, das ist Marion, meine Schlussballpartnerin. Marion, ich weiß nicht, ob Charly dir schon verraten hat, was morgen um elf passiert.
Charly leise: Oder auch nicht.
Marion Sie hat, allerdings.
Karl Schön, dann weißt du ja Bescheid.Zu Charly: Marions Mann ist auch schon da. Ach, ja, das solltest du wissen: Wir haben die Zimmer getauscht, eine komische Geschichte. Wir haben jetzt Zimmer 7 und Winnie und Marion sind in Zimmer 5.
Charly In Zimmer 5?
Karl Wir nicht, sondern die beiden. Wir haben Zimmer 7. Ich erzähle dir die Geschichte ein anderes Mal. Zu komisch.
Charly Zimmer 7.
4.4c Marion, Charly, Karl und Winfried
Winfried nähert sich der Hotelbar. Erstaunt: Oh.
Karl Ah, da ist er ja. Winnie, komm doch her. Darf ich dich mit Charly bekannt machen, meiner Braut. Charly, das ist mein alter Klassenkamerad, mein roter Blutsbruder, der heute ein wenig bleich aussieht, und - unser Trauzeuge. Ihr beiden seid ja die einzigen, die sich noch nicht kennen.
Marion Irrtum, die beiden kennen sich besser, als wir denken. Gell?
Karl So?
Marion Aus Zimmer 7, wenn ich mich nicht irre. Vor 8 Jahren.
Charly Zimmer 7.
Marion zu Winfried: Wenn das nicht so ein wunderbarer Brandy wäre, würde ich dir den Rest glatt ins Gesicht schütten.Sie trinkt das Glas aus.
Winfried zu Marion: Da liegt offenbar ein Missverständnis vor.
Karl Augenblick mal. Sehe ich das richtig?
Marion Ja, Karl.Leise: Wenn ich das vorhin gewusst hätte.
Karl Heißt das ...?
Marion Genau.
Karl Charly! Du?
Vorhang.
PAUSE.